Content Marketing contra Journalismus – alles Lüge, oder was?

Content Marketing contra Journalismus

Wer gewinnt den Kampf um Relevanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen?

Kaum ist der Kompetenz-Streit zwischen Marketing und PR um die Deutungshoheit zum Content Marketing verebbt, gibt es eine neue Debatte. Diesmal kämpfen Journalismus und Content Marketing um die Sendungshoheit in den Medien. Angezettelt wurde die Debatte vom selbsternannten Medienkommissar Hans-Peter Siebenhaar vom Handelsblatt mit dem Kommentar Content Marketing killt Journalismus. Viele gute Gegenargumente dazu lieferten bereits Beiträge meiner geschätzten PR- und Marketing-Kollegen Andreas Quinkert, Warum Content-Marketing (möglicherweise) ein präventives Krisenmanagement benötigt, Stephan Heinrich, Content tötet Journalismus, Matthias Walbroel, Warum Content Marketing oft der bessere Journalismus ist und Birgit Ecker Fake-News killen Journalismus.

Hans-Peter Siebenhaar unterstellt Unternehmen, mit dem Content Marketing Schuld am Tod des Qualitätsjournalismus zu sein. Überschätzt er damit nicht einen simplen Begriff und unterschätzt gleichzeitig die Medienkompetenz der emanzipierten Leser?

Content Marketing ist nicht neu

Irgendwie wundert es mich immer wieder, dass viele im „Content Marketing“ ein völlig neues Phänomen sehen. Aber im Prinzip ist Content Marketing doch einfach nur die Weiterentwicklung der guten alten „Public Relations“ Disziplin. Damit beruht das Content Marketing auf einem Konzept, dass es in der ein oder anderen Form immer schon gegeben hat. Redaktionelle Fachbeiträge, Studien und andere PR-Botschaften von Unternehmen haben doch schon immer den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Jetzt heißt es Content Marketing und alles ist anders?

Zugegeben, nicht bei allem, wo Content drauf steht, ist auch Content drin. Manches, was sich hinter dem Label des Content Marketing verbirgt, ist und bleibt einfach nur plumpe Werbung. Dann ist es aber Werbung und wird auch als solche wahrgenommen. Kommen wir zum professionellen Content Marketing. Ja, und damit stoßen wir tatsächlich auf eine Disziplin, die dem Journalismus sehr ähnlich ist. Unternehmen nutzen die redaktionellen Formen und Medien des Journalismus, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit sachlichen, nützlichen und relevanten Informationen schaffen sie relevante redaktionelle Inhalte für ihre Zielgruppen.

Gute PR Beiträge wurden aber auch früher schon dankbar von den Medien aufgegriffen, weil sie den Redaktionen wertvolles Expertenwissen liefern. Und ja, sie waren auch immer schon keineswegs nur sachlich, sondern interessenorientiert. Aber seit wann ist Journalismus nicht auch interessenorientiert? Und, Redaktionen waren auch immer schon käuflich, auch wenn Journalisten das nicht gerne hören. Aber irgendwie wurden doch die Medien immer schon durch Werbung finanziert. Und gerade beim Handelsblatt gibt es eine deutliche Vermischung von kostenfreien und bezahlten Inhalten und das hat nichts mit Content Marketing zu tun, sondern mit Werbung.

Mit Content Marketing schaffen Unternehmen ihre eigenen Medien

Ein Unterschied zwischen klassischer PR und Content Marketing ist, dass die Veröffentlichung von Unternehmensinhalten früher den Redaktionsfilter der Medien passieren musste, während Unternehmen heute ihre PR-Botschaften selbst veröffentlichen können. Über Presse-, News- und Fachportale, Content-Netzwerke, Blogs und Social Media lassen sich PR-Botschaften in Form von Online-Pressemitteilungen, Blogbeiträgen, redaktionellen Fachbeiträgen, Whitepapers, Infografiken oder Videos weitreichend im Internet verbreiten. Diese Veröffentlichungen gehen vorbei an den Gatekeepern der traditionellen Medien und gelangen direkt zu potentiellen Lesern und Kunden.

Einige Unternehmen etablieren sich sogar selbst schon als Medienunternehmen. Mit eigenen Nachrichten- und Videokanälen schaffen sie eigene Medien-Outlets für ihre Zielgruppen. Bestes Beispiel dafür ist Red Bull. Andere Unternehmen wie Adidas und Daimler stellen Journalisten ein, um ihre redaktionellen Inhalte professionell auszugestalten. Natürlich ist das ein Vorteil und eine große Chance für die Unternehmenskommunikation. Aber Content Marketing überzeugt nur, wenn die Inhalte auch relevant für die Zielgruppen sind. Niemand erwartet von einem Adidas Blog eine kritische Berichterstattung über die Produktionsstätten in Fernost. Aber für solche Informationen kommen die Leser auch nicht auf den Adidas Blog.

Qualitätsjournalismus im postfaktischen Zeitalter

Warum fühlt sich ausgerechnet der Journalismus von der Form des Content Marketings bedroht? Siebenhaar bemängelt, dass Content Marketing für eine „Vermischung von Journalismus und Werbung“ sorgt und warnt vor „medialem Brei“. Er wirft den Unternehmen sogar vor, mit Content Marketing die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Qualitätsjournalismus der traditionellen Medien zu beschädigen. Aber Vorsicht, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Der Niedergang der traditionellen Medien wurde schon lange Zeit vor dem Beginn des Content Marketing Zeitalters eingeläutet. Die klassischen Medien beklagten den massiven Rückgang ihrer Abonnentenzahlen und Zuschauer zugunsten der neuen Online-Medien bereits zu einer Zeit, in der es den Begriff „Content Marketing“ überhaupt noch nicht gab. Zuerst kamen die Blogs, die sich als vertrauenswürdige Nachrichtenorgane gegenüber den traditionellen Medien etablierten. Dann kamen die Social Media, die für viele Medienbürger zu einer immer wichtigeren Informationsquellen wurden. Erst dadurch konnte sich die Disziplin des Content Marketings überhaupt entwickeln.

Content Marketing ist nicht schuld am Vertrauensverlust

Seit dem Aufkommen der neuen Medien, und nicht erst mit dem Auftreten des Content Marketings, sinkt das Vertrauen in die klassischen Medien.

Edelman Trustbarometer Vertrauen in Informationen

Edelman Trustbarometer 2016 zum Vertrauen in Informationen.

Das Edelman Trust Barometer zeigt seit Jahren ein schwindendes Vertrauen in Informationen von Journalisten (40 %) zu Gunsten der Informationen, die von den Unternehmen bereitgestellt werden (60 %).

Auch ein Studie zum Medienvertrauen von infratest dimap im Auftrag der ZEIT bestätigt, dass die Mehrheit der Befragten, insgesamt 60 Prozent, wenig (53 %) oder gar kein (7 %) Vertrauen mehr in die Medien hat. Nur 40 % der Deutschen haben „sehr großes“ oder „großes“ Vertrauen in die politische Berichterstattung der Medien. Die Kritikpunkte sind vor allem bewusste Fehlinformation und Manipulation (27 %),  Einseitigkeit (20 %) schlechte Recherchen (15 %). Rund 10 % bemängelte außerdem die fehlende Unabhängigkeit der Medien.     

Der Journalismus sollte sich also erst einmal an die eigene Nase packen, bevor er andere für die eigene Misere verantwortlich macht.

Braucht Content Marketing einen Code of Conduct?

Nein, in einem Zeitalter von zunehmender Transparenz auf der einen und persönlicher Filterblasen auf der anderen Seite, braucht es kein neues Regelwerk. Relevanz ist die Währung im Web 2.0 und der Schlüssel zu mehr Aufmerksamkeit. Nur durch Relevanz lässt sich das Interesse der emanzipierten Medienbürger des Web 2.0 gewinnen. Relevanz ist der Filter im Social Web. Nur relevante Informationen erzielen Sichtbarkeit und werden gelesen, gelikt und geteilt.

So haben professionelle Blogger, Vlogger und Instagramer mittlerweile mit ihrer Reichweite und Ihrem Einfluss als „Influencer“ vielen klassischen Medien den Rang abgelaufen. Einflussreiche Blogger versammeln eine treue Follower Gemeinde um sich und wirken alleine durch ihre Authentizität und Kompetenz. Blogger und Social Media Influencer arbeiten direkt mit Unternehmen zusammen, aber sie lassen sich nur selten von ihnen vereinnahmen. Professionelle Blogger kennen ihre Community genau und die lässt sich nur durch glaubwürdige und vertrauenswürdige Informationen dauerhaft bei der Stange halten.

Content Marketing in der Unternehmenskommunikation

Für Unternehmen ist das Content Marketing eine große Chance, um mit relevanten Inhalten das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit ihrer Zielgruppen zu gewinnen. Corporate Blogs, redaktionelle Fachbeiträge auf Fachportalen und in Experten-Netzwerken, Informationen und Beiträge auf Presse- und Newsportalen, Whitepapers und Video-Tutorials sind zu beliebten Informationsquellen für Kunden und Interessenten geworden. Unternehmen haben die Möglichkeit, ihre Inhalte und Medien direkt und selbst über die sogenannten Owned Media zu veröffentlichen und direkt zu ihren Zielgruppen zu bringen, ohne den Redaktionsfilter der traditionellen Gatekeeper.

Wenn der Journalismus sich durch diese Entwicklung bedroht sieht, muss er sich eine neue Aufgabe und eine neue Relevanz in der Gesellschaft suchen.  Es ist nicht Aufgabe der Unternehmen und nicht Aufgabe des Content Marketing, den Qualitätsjournalismus zu schützen.

Content Marketing ist kein Mord am Journalismus, sondern allenfalls ein fairer Wettbewerb zwischen Journalismus und Unternehmenskommunikation. Wer dabei gewinnt, entscheidet der Leser.

 

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